Liebe Pfarrgemeinde!
Was ist eigentlich ein Diakon? Diese Frage wurde mir in den letzten Tagen häufig gestellt. Grund genug, um an dieser Stelle einen umfassenden, aber zugleich übersichtlichen Versuch zu starten, diese Frage zu beantworten.
Beginnen wir mit der Wortbedeutung. Das Wort „Diakon“ leitet sich vom altgriechischen Begriff „διάκονος“ (d. i. „diákonos“) ab und bedeutet in etwa „Diener“ oder „Helfer“. Schon von daher kann man sich einen ersten Eindruck verschaffen, worum es bei einem Diakon geht – oder eigentlich gehen soll. Ein Diakon ist also jemand, der dienen und helfen soll… aber wem? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir einen Blick in unsere Hl. Schrift, die Bibel, werfen.
In der Apostelgeschichte (die weit spannender zu lesen ist, als wir glauben mögen) können wir das historische Ereignis der Berufung der ersten Diakone nachlesen. In der jungen, Jerusalemer Gemeinde gibt es einen Konflikt… solcherart, dass er uns in seiner Eigenart nicht unbekannt sein dürfte. Die Gemeinde bestand im Wesentlichen aus zwei Gruppen: den „Hebräern“ und den „Hellenisten“. Sie alle waren Judenchristen, also Juden, die zum Glauben an Jesus Christus als den Messias gekommen sind; aber die hebräisch- oder aramäischsprachigen „Hebräer“ waren den griechischsprachigen „Hellenisten“ in ihrer Zahl offenbar überlegen. So kam es zu einer Kluft zwischen beiden Gruppen, einerseits aufgrund der majoritären Stellung einer Personengruppe über die andere, andererseits wegen der unvermeidbaren Sprach- und Kulturbarriere. Kommen Ihnen diese Herausforderungen bekannt vor?
Jedenfalls führten all diese Probleme dazu, dass ausgerechnet verwitwete Frauen aus der Gruppe der Hellenisten bei der Verteilung lebenswichtiger Güter benachteiligt waren. Jemand musste dieser sozialen Ungerechtigkeit ein Ende bereiten, aber die zwölf Apostel erkannten, dass sie alleine das nicht bewerkstelligen konnten, da sie sich auch weiterhin mit ganzer Aufmerksamkeit dem Gebet und dem „Dienst am Wort“, also der Verkündigung, widmen wollten. So forderten die Zwölf die Gemeindemitglieder auf, (zunächst-) sieben Männer zu wählen, die das Vertrauen und Wohlwollen aller genossen. Diese Männer sollten die Apostel nun unterstützen, indem sie sich dem sozialen (!) „Dienst an den Tischen“ widmen – also dem Dienst an den Armen und Benachteiligten. So geschah es, und die ersten Diakone waren „geboren“.
Nun muss man wissen, dass die griechische Sprache aber nur ein Wort für beide Dienste – die Verkündigung (Dienst am Wort) und die tätige, soziale Nächstenliebe (Dienst am Tisch) – kannte: das Wort „diakonia“ – „Dienst“. So kommt es auch, dass Diakone bis heute besonders der Verkündigung auf der einen Seite, und dem Dienst an den Armen auf der anderen Seite verpflichtet sind.
Das „Diakonat“ gehört also von den frühesten Anfängen unserer Kirche dazu, und dennoch ist es bald in eine Krise geraten. Wie wir gesehen haben, sollten Diakone die Apostel unterstützen. Ihnen arbeiten die Diakone in all ihrem Tun „zu“. Als sich aber Anfang des 2. Jahrhunderts die drei klassischen Ämter in der Kirche entwickelten, die wir bis heute kennen – Diakon, Presbyter („Ältester“ / „Priester“) und Bischof – änderte sich dieses Verständnis. Als sich das Christentum immer mehr verbreitete, lösten die Presbyter die Bischöfe nach und nach in der Leitung einer konkreten Gemeinde vor Ort ab und die Diakone wurden aus pragmatischen Gründen zu Gehilfen der Priester. Im weiteren Verlauf der Geschichte geriet der ursprüngliche Dienst- und Auftrag der Diakone immer mehr in Vergessenheit, und das Amtsdiakonat verkümmerte zu einer bloßen „Durchgangsstufe“ auf dem Weg zur Priesterweihe; ein Verständnis, das sich erschütternder Weise bis heute hartnäckig in den Köpfen mancher Menschen hält und das es konsequent zu berichtigen gilt.
Es brauchte viele Jahrhunderte, bis dieser Entwicklung ein Ende gesetzt wurde, und wir alle sind – oftmals vielleicht unwissentlich – erste Zeugen des Wiederauflebens dieses schönen, urkirchlichen Amtes. Denn erst das Zweite Vatikanische Konzil (1962 – 1965) hat das Diakonat als wertvolles, eigenständiges Amt und damit auch als Lebensberufung mit Eigenwert wiedererkannt, und in weiterer Folge mit neuem Leben erfüllt. Seitdem gibt es in unserer Kirche wieder Diakone, und zwar nicht nur solche, die sich – wie in meinem Fall – auf die Priesterweihe vorbereiten; sondern auch so genannte „ständige Diakone“. Sie dürfen auf Wunsch auch heiraten, Familie gründen und verschiedene „Zivil“-Berufe ausüben. Die ersten „ständigen“ Diakone wurden in unserer Diözese im Jahr 1970 durch Kardinal König geweiht.
Alle Diakone haben jedoch eines gemeinsam: sie sind ganz im Sinne der ersten Ur-Diakone direkt den Bischöfen unterstellt, um „frei“ zu sein für ihre Kernaufgaben: dem Dienst am Wort und dem Dienst an den Armen (modern ausgedrückt). Und doch hat das Diakonat als sakramentales Amt in der Kirche noch nicht alle Krisen überstanden. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe unseres Pfarrblattes. In diesem Sinne: Fortsetzung folgt!
Herzlichst,
Diakon Hannes Grabner